Erfolgreiche Kommunikation in Kündigungsgesprächen – Wenn Worte über Schicksale entscheiden

Kündigungsgespräche sind mehr als Formsache – sie entscheiden über Vertrauen, Reputation und menschliche Würde. Wie gelingt es, selbst in dieser emotionalen Zerreissprobe Klarheit und Empathie zu wahren? Dieser Artikel dekonstruiert erfolgreiche Kommunikation in drei Schritten.

KOMMUNIKATION

Patrick K. Gruél

2/6/20253 min read

Ein Drahtseilakt zwischen Menschlichkeit und Professionalität

Stellen Sie sich vor, Sie müssen einem Menschen mitteilen, dass sein beruflicher Weg an dieser Stelle endet. Jedes Wort, jede Nuance Ihrer Körpersprache, jeder unbedachte Satz kann Narben hinterlassen – oder Respekt bewahren. Kündigungsgespräche sind kein administrativer Akt, sondern ein emotionales Minenfeld. Ein falscher Schritt, und das Vertrauen eines ganzen Teams, der Ruf eines Unternehmens oder sogar die psychische Gesundheit einer Person stehen auf dem Spiel.
Warum gelingt es manchen Führungskräften, selbst in dieser Zerreißprobe Würde zu wahren, während andere das Gegenteil erreichen? Dieser Artikel zerlegt erfolgreiche Kommunikation in Kündigungsgesprächen in drei fundamentale Bausteine: Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. Mit konkreten Beispielen und einer Analyse, die tiefer geht als oberflächliche Ratgeber.

Baustein 1:
Vorbereitung – Die Kunst, das Unvermeidliche menschlich zu gestalten

Jedes Kündigungsgespräch beginnt lange vor dem eigentlichen Termin – mit einer klaren, aber empathischen Vorbereitung. Erfolgreiche Führungskräfte trennen dabei Emotionen von Fakten, ohne die Menschlichkeit auszublenden.

Beispiel 1: Ein mittelständisches Unternehmen muss aufgrund einer strategischen Neuausrichtung Stellen abbauen. Statt standardisierte Kündigungsschreiben zu verschicken, analysiert die Geschäftsführung zunächst individuell: Welche Leistungen hat der Mitarbeitende erbracht? Gibt es Alternativen zur Kündigung? Wie kann der Übergang gestaltet werden? Diese Fragen führen zu maßgeschneiderten Lösungen – etwa Umschulungen oder interne Versetzungen für einige Betroffene.

Doch Vorbereitung bedeutet auch, sich der eigenen Verantwortung bewusst zu sein. Ein CEO eines Start-ups entschuldigte sich später öffentlich dafür, dass er während der Pandemie Entlassungen per Zoom-Call durchführte, ohne vorher persönliche Gespräche zu suchen. Sein Eingeständnis: „Ich habe vergessen, dass hinter jeder Kündigung ein Mensch steht, der mehr verdient als eine kalte Bildschirmansprache.“

Baustein 2:
Durchführung – Klarheit mit Empathie verbinden

Das Gespräch selbst ist der Moment, in dem Theorie auf Realität trifft. Hier entscheidet sich, ob eine Kündigung als respektloser Akt oder fairer Neuanfang wahrgenommen wird. Erfolgreiche Kommunikation folgt drei Prinzipien:

  1. Direktheit ohne Brutalität: Vermeiden Sie Umschweife. Ein Beispiel: Eine Führungskraft im Einzelhandel eröffnete das Gespräch mit den Worten: „Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir Ihre Stelle streichen werden. Das liegt an strukturellen Veränderungen, nicht an Ihrer Leistung.“ Klar, aber wertschätzend.

  2. Aktives Zuhören: Geben Sie Raum für Emotionen – Wut, Trauer, Schock. Eine Projektleiterin in der IT-Branche berichtet: „Nach der Kündigung sagte der Mitarbeiter erst minutenlang nichts. Ich schwieg ebenfalls. Als er dann weinte, bot ich einfach ein Taschentuch an – keine Rechtfertigungen.“

  3. Transparenz über nächste Schritte: Stellen Sie Ressourcen bereit – Abfindungen, Outplacement-Services, psychologische Unterstützung. Ein internationaler Konzern geht hier weiter: Er bietet gekündigten Mitarbeitenden ein „Abschiedscoaching“ an, um Perspektiven zu entwickeln.

Gegenbeispiel: Ein Finanzmanager kündigte einem Angestellten per E-Mail – ohne Gespräch, ohne Erklärung. Der Mitarbeiter verklagte das Unternehmen später wegen Diskriminierung, und das Team verlor das Vertrauen in die Führung.

Baustein 3:
Nachbereitung – Der lange Schatten des Gesprächs

Ein Kündigungsgespräch endet nicht mit der Unterschrift unter das Dokument. Die Art, wie Unternehmen mit der Nachbereitung umgehen, prägt ihre Kultur langfristig.

Beispiel 1: Ein Ingenieurbüro lud gekündigte Mitarbeitende zu einem offenen Austausch ein – Wochen nach der Kündigung. Dort konnten sie Feedback geben, Kritik äußern und sogar Kontakte für neue Jobs knüpfen. Das Ergebnis: Einige kehrten später als Freelancer zurück, und das Unternehmen wurde für seine transparente Kultur bekannt.

Beispiel 2: Eine Führungskraft im Gesundheitswesen verweigerte nach einer Massenkündigung jegliche Kommunikation mit dem verbliebenen Team. Die Folge: Gerüchte breiteten sich aus, die Produktivität sank, und talentierte Mitarbeitende verließen freiwillig das Unternehmen.

Erfolgreiche Nachbereitung bedeutet auch, die Überlebenden im Blick zu haben. Teams, die miterleben, wie Kolleg:innen behandelt werden, entwickeln stilles Misstrauen – oder Loyalität. Ein Tech-Unternehmen kommunizierte nach Entlassungen offen: „Wir haben Fehler gemacht. Hier sind die Lehren, die wir ziehen.“ Diese Ehrlichkeit stärkte letztlich den Zusammenhalt.

Fazit:
Kündigungsgespräche als Lackmustest für Unternehmenswerte

Kündigungsgespräche sind kein notwendiges Übel, sondern ein Spiegel der Unternehmenskultur. Sie offenbaren, ob Werte wie Respekt und Empathie gelebt werden – oder nur in Hochglanzbroschüren existieren. Die Kunst liegt darin, selbst in der schwersten Pflicht der Führung Menschlichkeit zu bewahren. Denn am Ende bleibt nicht die Kündigung in Erinnerung, sondern die Art und Weise, wie sie kommuniziert wurde.

Wer hier versagt, zahlt einen hohen Preis: verlorenes Vertrauen, beschädigte Reputation, zerstörte Existenzen. Wer es meistert, beweist, dass Leadership auch in der Krise möglich ist – durch Klarheit, Vorbereitung und den Mut, Verantwortung über das Ende eines Arbeitsverhältnisses hinaus zu tragen.